Make To Order- und Make To Stock-Beschaffungsregeln konfigurieren

In der ERP Software Odoo lassen sich zwei Prinzipien für die automatisierte Lagerverwaltung anwenden: die auftragsgetriebene (make to order, MTO) und die lagerbestandsgetriebene (make to stock, MTS) Beschaffung, welche auch miteinander kombiniert werden können. In diesem Artikel zeigen wir, wie der Lagerbestand mit Beschaffungsregeln in Odoo konfiguriert und effizient verwaltet wird.

Auf einen Blick

Benötigte Apps:

  • Lagerbestandsmanagement (stock)
  • Verkaufsmanagement (sale_management)
  • Beschaffung (purchase)
  • Fertigung (mrp)

Konfiguration am Produkt anlegen

  • Route Einkauf oder Fertigung
  • Route Beschaffen von Auftrag oder Meldebestand anlegen

Auslöser für die Beschaffung

  • Verkaufsauftrag bestätigen
  • Fertigungsauftrag bestätigen
  • Mindestbestand unterschreiten + Scheduler starten

Make To Order (MTO) versus Make To Stock (MTS) – Beschaffung

Die Beschaffungsart ist abhängig vom Produkt selbst sowie den Fertigungs- und Auslieferungsstrategien des Unternehmens. Die Beschaffungsregeln sollten daher entsprechend der spezifischen Unternehmensprozesse konfiguriert werden.

Die Beschaffung nach MTO-Prinzip eignet sich für beispielsweise große und teure Maschinen, welche nicht oft verwendet, verkauft oder mit hohen Lagerkosten verbunden sind (z.B. wegen des hohen Platzbedarfs). Diese Produkte sollten besser nur dann beschafft werden, wenn der Bedarf dafür tatsächlich entsteht. Ein Nachteil wäre hier aber, dass diese Produkte bei Anfrage eben noch nicht zur Verfügung stehen und der Kunde mit einer gewissen Lieferzeit rechnen muss.

Wird ein Produkt aber sehr oft benötigt und die Lagerkosten halten sich im Rahmen, beispielsweise Schrauben und Muttern, dann kann dieses Produkt nach dem MTS-Prinzip beschafft werden. Hier ist der Nachteil aber, dass der Lagerplatz zur Verfügung stehen muss und das Geld sozusagen einfach herumliegt, sollte das Produkt dann doch nicht zeitnah verbraucht werden.

Am Produkt selbst muss zuerst entschieden werden, ob es per Einkauf oder per Fertigung beschafft werden soll. Ist ein Produkt mit der Route „Fertigung“ markiert, wird ein Fertigungsauftrag zur Beschaffung angelegt, und ist es mit der Route „Einkauf“ markiert, wird eine Angebotsanfrage bzw. Bestellung erzeugt.

Auftragsgetriebene Beschaffung (Make To Order, MTO)

Um ein Produkt auftragsgetrieben zu beschaffen, muss zusätzlich zur Entscheidung über Einkauf oder Fertigung die Route „Beschaffe von Auftrag“ im Produktformular im Reiter „Lager“ aktiviert werden. Wird das Produkt eingekauft, sollte zusätzlich ein Lieferant eingetragen werden. Wird das Produkt produziert, benötigt es eine Stückliste.

Mehr Einstellungen sind nicht notwendig. Im nachfolgenden Beispiel ist das Produkt zusätzlich aber auch als verkaufbares Produkt deklariert, da über einen bestätigten Verkaufsauftrag der Bedarf für das Produkt erzeugt wird.

  1. Produkt anlegen und konfigurieren
  2. Verkaufsauftrag für das Produkt anlegen und bestätigen
  3. Fertigungsauftrag / Angebotsanfrage wird automatisch erzeugt

Beispiel für MTO-Beschaffung: Einkaufsprodukt „Bilderrahmen“

1. Produkt anlegen und konfigurieren

Lager > Stammdaten > Produkte

Das Produkt „Bilderrahmen“ wird als verkaufbar und einkaufbar deklariert. Zusätzlich wird im Reiter „Lager“ der Haken bei „Einkaufen“ und bei „Beschaffe von Auftrag“ gesetzt. Dies führt dazu, dass eine Angebotsanfrage erzeugt wird, sollte auftragsabhängiger Bedarf für dieses Produkt entstehen.

 

2. Verkaufsauftrag für das Produkt anlegen und bestätigen

Verkauf > Aufträge > Angebote

Beim Anlegen eines Angebots / Auftrags muss ein Kunde ausgewählt und das Produkt hinzugefügt werden. Beim Bestätigen des Auftrags entsteht der Bedarf für dieses Produkt.

 

 

3. Automatisch erzeugte Angebotsanfragen ansehen

Einkauf > Einkauf > Angebotsanfragen

Da das Produkt als MTO eingestellt ist, wird mit Bestätigen des Verkaufsauftrags automatisch eine Angebotsanfrage erstellt, die als Lieferanten den im Produkt hinterlegten Partner erhält und als einzukaufende Menge des Produktes die Menge, die im Verkaufsauftrag verkauft werden soll.

 

 

Lagerbestandsgetriebene Beschaffung (MTS)

Soll ein Produkt dagegen lagerbestandsgetrieben (MTS) beschafft werden, muss keine zusätzliche Route aktiviert werden, sondern stattdessen ein sogenannter Meldebestand hinterlegt werden. Es kann dabei ein Minimal- und ein Maximalbestand angegeben werden. Wird der Minimalbestand unterschritten, wird automatisch die Beschaffung dafür erzeugt, wobei die zu beschaffende Menge dem Maximalbestand entspricht. Ist kein Maximalbestand angegeben, wird nur bis zum Minimalbestand aufgefüllt.

Im nachfolgenden Beispiel ist das Produkt neu angelegt, d.h. es existiert noch gar kein Bestand, weswegen der Minimalbestand automatisch unterschritten ist. Die Automatik zur Erstellung der Beschaffungsaufträge kann manuell durch einen Klick auf „Scheduler starten“ im Lager-Menü erreicht werden. Dies ist aber nicht grundsätzlich erforderlich, da ein Cron-Job einmal täglich (oder mehrmals, wenn gewünscht) diese Aktion durchführt .

  1. Produkt anlegen und konfigurieren
  2. Mindestbestand unterschreiten
  3. Scheduler starten
  4. Fertigungsauftrag / Angebotsanfrage wird automatisch erzeugt

Beispiel für MTS-Beschaffung: Einkaufsprodukt „Schraube Typ A“

1. Produkt anlegen und als Einkaufsprodukt mit Meldebestand konfigurieren

Lager > Stammdaten > Produkte

Das Produkt „Schraube Typ A“ wird als verkaufbar und einkaufbar deklariert. Zusätzlich wird im Reiter „Lager“ der Haken bei „Einkaufen“ gesetzt und unter „Einkauf“ ein Lieferant hinzugefügt. Der Meldebestand wird über den Smartbutton Meldebestand hinzugefügt. Dort kann der Minimal- und Maximalbestand eingetragen werden.

 

2. Mindestbestand unterschreiten

Da dieses Produkt zum ersten Mal mit diesem Meldebestand angelegt ist, existiert noch kein Lagerbestand. Dadurch ist der Minimalbestand automatisch unterschritten. Später geschieht diese Unterschreitung beispielsweise durch Verkauf oder Verbrauch in der Fertigung.

3. a) Scheduler manuell starten

Lager > Vorgänge > Scheduler starten

Der Scheduler zur Erzeugung der Beschaffungsaufträge kann manuell gestartet werden, um sofort die benötigten Beschaffungsaufträge zu erzeugen.

 

 

3. b) Schedular automatisch starten

Einstellungen > Entwicklermodus aktivieren
Einstellungen > Technisch > Automatisierung > geplante Aktionen > „Beschaffung: starte Scheduler“

Es ist nicht immer wirklich sinnvoll, dass der Scheduler manuell gestartet wird. Dies kann automatisch in einem bestimmten Intervall passieren. Im Standard passiert das alle 24 Stunden, kann aber angepasst werden.

 

4. Angebotsanfrage wird automatisch erzeugt

Einkauf > Einkauf > Angebotsanfragen

Nun wurde der durch Unterschreiten des Mindestbestands erzeugte Bedarf als Angebotsanfrage angelegt. Hier ist zu erkennen, dass Odoo Angebotsanfragen automatisch nach Lieferanten gruppiert. Da die Schrauben und der Bilderrahmen aus dem vorherigen Beispiel beim selben Lieferanten beschafft werden, wurde nun keine neue Angebotsanfrage erstellt, sondern der Bedarf an Schrauben einfach in die bestehende Angebotsanfrage angehängt. Außerdem ist auch zu sehen, dass die zu bestellende Menge dem angegebenen Maximalbestand entspricht.

 

Mehrere Beschaffungsebenen in Kombination mit MTO und MTS

Da die Beschaffungsregeln auf Produktebene konfiguriert werden, ist natürlich auch eine Kombination der Prinzipen denkbar. Dies lässt sich am besten am Beispiel eines Fertigungsprozesses darstellen.
Dabei soll ein zu fertigendes Produkt verkauft werden. Das Produkt selbst wird als MTO markiert, d.h. es wird nur dann produziert, wenn es benötigt wird. Die Teile, aus denen das Produkt besteht, sind aber mit Meldebeständen versehen. Gibt es diese Produkte nicht auf Lager, werden Beschaffungsaufträge automatisch durch den Scheduler erstellt. Sind sie dagegen noch auf Lager, muss keine Beschaffung dafür erfolgen.

  1. Fertigungsprodukt anlegen und konfigurieren
  2. Bauteile anlegen und konfigurieren
  3. Stückliste für das Fertigungsprodukt anlegen
  4. Verkaufsauftrag anlegen und bestätigen
  5. Automatisch erzeugten Fertigungsauftrag ansehen
  6. Scheduler starten
  7. Automatisch erzeugte Angebotsanfragen ansehen

Beispiel für kombinierte MTO- und MTS-Beschaffung: Fertigungsprodukt „Maschine A“

1. Fertigungsprodukt anlegen und konfigurieren

Das Produkt „Maschine A“ ist verkaufbar, aber nicht einkaufbar und erhält als Route einen Haken bei „Fertigung“ und bei „Beschaffe von Auftrag“, um abhängig vom Bedarf, der zum Beispiel durch dessen Verkauf entsteht, einen Fertigungsauftrag zu erstellen.

 

 

2. Bauteile anlegen und konfigurieren

Die Maschine soll aus drei Bauteilen bestehen, die jeweils einkaufbar sind und deshalb die Route „Einkauf“ erhalten. Die beiden Bauteile 1 und 2 werden vom selben Lieferanten verkauft und das Bauteil 3 kann beim Lieferant 2 bestellt werden. Zudem erhalten alle drei Bauteile unterschiedliche Meldebestände.

 

3. Stückliste für Fertigungsprodukt anlegen

Die Maschine soll aus den drei Bauteilen bestehen, wobei jedes Bauteil in einer anderen Menge benötigt wird. Wichtig ist hier, ist dass der Stücklisten-Typ auf den voreingestellten Wert „Dieses Produkt herstellen“ gesetzt bleibt. Der andere Typ „Bausatz“ kann zum Beispiel dafür verwendet werden, einem Produkt eine Materialliste zuzuweisen, die bei Verkauf des Produktes als Einzelteile an den Kunden geliefert werden.

 

4. Verkaufsauftrag für Fertigungsprodukt anlegen und bestätigen

In einem Verkaufsauftrag fügen wir einen Kunden und das zwei Stück des Fertigungsprodukts hinzu. Ist das Angebot noch nicht bestätigt, entsteht noch kein Bedarf am Produkt. Erst durch die Bestätigung wird der Bedarf erzeugt.

 

 

5.    Automatisch erzeugten Fertigungsauftrag ansehen

Durch das Bestätigen des Verkaufsauftrags wird automatisch ein Fertigungsauftrag für das Produkt angelegt. An der Referenz im Fertigungsauftrag lässt sich auch die Verknüpfung zum Verkaufsauftrag erkennen. In der Liste der zu verbrauchenden Materialien sind nun die drei Bauteile sichtbar, die leider nicht auf Lager liegen.

 

6. Scheduler starten

Nun kann der Scheduler über das Lager-Menü manuell gestartet werden, oder es wird gewartet, bis der Cron-Job automatisch im festgelegten Intervall ausgeführt wird.

 

7. Automatisch erzeugte Angebotsanfragen für die Bauteile ansehen

Nachdem der Scheduler also gestartet wurde, gibt es nun auch die zwei Angebotsanfragen für die drei Bauteile. In der ersten sind die beiden Bauteile 1 und 2 enthalten und in der zweiten das Bauteil 3, also auch hier wieder gruppiert nach Lieferant. Das Feld „Referenzbeleg“ zeigt nun auch den zugehörigen Verkaufsauftrag und die Bedarfe an den Produkten, die von Odoo als Grundlage verwendet werden.